Warum wir klagen

Forderungen

Wir fordern eine unabhängige gerichtliche Überprüfung der Klimapolitik. Unser Ziel ist es, dass der Staat seine Schutzpflichten uns gegenüber wieder wahrnimmt und ein Klimaziel verfolgt, das der Anforderung genügt, eine gefährliche Störung des Klimasystems zu verhindern. Wir fordern zudem umfassendere, auf dieses Ziel angepasste Massnahmen und eine bessere Umsetzung der bereits beschlossenen Massnahmen.

Wir klagen, weil alles, was uns lieb ist, auf dem Spiel steht.

Wir klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR, weil die Schweiz eine ungenügende Klimapolitik betreibt und damit unsere Menschenrechte verletzt.

Die Schweizer Klimapolitik ist mit Blick auf das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, klar ungenügend. Wenn alle so handeln würden, wie die Schweiz es heute tut, dann wäre bis 2100 eine globale Erwärmung von bis zu drei Grad Celsius möglich. Die 1,5 Grad Grenze ist entscheidend, um schlimmere Bedrohungen der Menschenrechte abzuwenden. Wir haben dies in unseren Rechtsschriften stets ausführlich dargelegt, in den jüngsten Observations auf den S. 10 ff.

Zudem fällt die Schweizer Klimapolitik auch mit Blick auf vergleichbare Staaten stark ab: Insbesondere das Schweizer Ziel, das derzeit in parlamentarischer Beratung ist und womöglich weiter abgeschwächt wird, die heimischen Emissionen mit Massnahmen im Inland bis 2030 auf 34 % unter das Emissionsniveau von 1990 zu senken, ist deutlich niedriger als die Zielsetzung in der EU (55 %), ganz zu schweigen von derjenigen Dänemarks (70 %), Finnlands (60 % mit Kohlenstoffneutralität bis 2035) und Deutschlands (65 %).

Darüber hinaus verfehlt die Schweiz ihre eigenen, unzureichenden Ziele.

Der Bund verletzt somit die Bundesverfassung (Vorsorgeprinzip und Recht auf Leben) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Das Risiko, das der Bund mit der derzeitigen Nichtverfolgung des 1,5-Grad-Ziels eingeht, erachten wir KlimaSeniorinnen als unzulässig. Der Bund erfüllt seine Schutzpflichten gegenüber uns Grundrechtsträgerinnen – also seine Gegenleistung dafür, dass wir uns der Staatsgewalt unterwerfen – ungenügend.

Insgesamt ist die Schweiz in schlechter Gesellschaft. Nimmt man alle Versprechungen der Länder weltweit zusammen, so bewegen wir uns auf eine globale Erwärmung von 2,4 Grad und wahrscheinlich von mehr als 3 Grad zu, was für Milliarden von Menschen und Tieren lebensbedrohlich ist. Um das Problem zu lösen und die Erwärmung bei maximal 1,5 Grad zu stabilisieren, muss jedes einzelne Land seinen fairen Beitrag zur Lösung des Problems leisten und die Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich eliminieren. 

Warum wir klagen können

Die Klimaerwärmung führt unbestrittenermassen zu vermehrten und intensiveren Hitzewellen (Quelle). Wegen der Hitze werden Menschen krank und sterben frühzeitig. Wir älteren Menschen – und insbesondere Frauen – sind die von den zunehmenden Hitzewellen am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe, denn unsere Gesundheitsbeeinträchtigungen und unsere Mortalität sind besonders hoch. Darum klagen wir gegen den Staat. Das Bundesamt für Gesundheit schreibt dazu: «Besonders bei älteren Personen sind […] Herz und Kreislauf und der Wasserhaushalt schnell überfordert, Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen. Dehydrierung, Hyperthermie, Ermattung, Bewusstlosigkeit, Hitzekrämpfe und Hitzschlag sind Konsequenzen dieser gestörten Wärmeregulation. Ältere Menschen sind die von Hitzewellen am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe.» Das Bundesamt für Gesundheit und das Bundesamt für Umwelt schreiben sodann: «Ältere Menschen, (chronisch) Kranke, Kleinkinder und Schwangere sind besonders gefährdet.» (Zitat aus der Broschüre des BAG „Drei goldene Regeln für Hitzetage“.) Laufend erneuerte Hitzewellen-Informationen finden Sie auf der Webseite des BAG.

Zusätzlich gibt es aus Untersuchungen zu vergangenen Hitzewellen, wie dem Sommer 2003 mit über 70’000 zusätzlichen Todesfällen in ganz Europa, Hinweise darauf, dass ältere Frauen noch stärker betroffen sind als ältere Männer (Quelle, u.a. S. 3). Wir KlimaSeniorinnen Schweiz haben deshalb ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Staat mindestens die Handlungen vornimmt, die zur Verfolgung des 1,5-Grad-Ziels nötig sind, und damit unser Leben und unsere Gesundheit schützt.

Jüngste Belege:

Selbstverständlich ist uns bewusst, dass auch ältere Männer, Menschen mit Krankheiten und Kleinkinder unter den Hitzewellen und anderen Klimafolgen leiden. Mit dem Fokus auf die nachgewiesene besondere Betroffenheit von uns älteren Frauen vergrössern wir die Erfolgschancen unserer Klage, was letztlich allen nützt. Da wir im Norden zu den Hauptverursacher:innen der globalen Erwärmung gehören, tragen wir auch eine spezielle Verantwortung gegenüber denjenigen Teilen der Welt, die unter Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürmen zu leiden haben.

Wir sind nicht allein

Vorbild für die Klimaklage sind vergleichbare Klagen weltweit: Immer mehr Menschen rufen die Justiz an, weil die Entscheidungsträger nicht genügend tun, um die Klimaerwärmung auf ein möglichst ungefährliches Mass einzugrenzen. In Holland klagten fast 900 Zivilisten mit der Stiftung Urgenda gegen den Staat und gewannen bei der ersten Instanz. Das Gericht verpflichtete den Staat, die Treibhausgasemissionen bis 2020 stärker als geplant einzudämmen, nämlich um 25% bis 40% gegenüber 1990 und nicht die vom Staat geplanten 17%.
Auch in zahlreichen anderen Ländern gibt es Zivilist:innen und Organisationen, die den Weg der Justiz gehen, weil alles andere nichts genützt hat und Grundrechte direkt bedroht sind.

Vorgehen

  • 29.03.2023: Öffentliche Anhörung in Strassburg
  • 05.12.2022: Einreichung der letzten Stellungnahme zum Sachverhalt, zur Zulässigkeit und zur Begründetheit durch das Rechtsteam an den EGMR.
  • 29.04.2022: Unsere Klage wird der Grossen Kammer des EGMR übergeben.
  • 18.11.2021: Antwort der Schweiz auf unsere Replik.
  • 23.10.2021: Unsere Antwort auf die Stellungnahme der Schweiz an den EGMR.
  • Am 22.09.2021 reichten Drittbeteiligte am EGMR eine Stellungnahme ein.
  • Am 07.01.2021 bestätigte der EGMR den Eingang der Beschwerde.
  • Am 01.12.2020 reichten wir unsere Klimaklage als Beschwerde beim EGMR ein.
  • Am 27.10.2020 kündigten wir die Klimaklage vor dem EGMR an.
  • Am 05.05.2020 wies das Bundesgericht unsere Beschwerde ab.
  • Am 21.01.2019 übergab eine Delegation der KlimaSeniorinnen Schweiz unsere Beschwerde persönlich beim Bundesgericht in Lausanne.
  • Am 07.12.2018 erhielten wir ein abweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
  • Am 26.05.2017 übergab eine Delegation der KlimaSeniorinnen Schweiz unsere Beschwerde persönlich beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen.
  • Am 26.04.2017 erhielten wir die Antwort des UVEK auf unser Rechtsbegehren. Es hatte entschieden, nicht darauf einzutreten.
  • Am 25.11.2016 reichten wir die Klimaklage offiziell und schriftlich beim Bund ein.
  • Am 25.10.2016 präsentierten wir in Bern unsere Klimaklage der Öffentlichkeit. Wir reichten das Rechtsbegehren um „Einstellungen von Unterlassungen im Klimaschutz“ symbolisch beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK ein.
  • Mitte August 2016 gründeten wir den Betroffenen-Verein „KlimaSeniorinnen Schweiz“, der insbesondere die Klimaklage bezweckt.

Bemerkungen
Die Bearbeitungsfristen durch die Gesuchsgegner und die gerichtlichen Instanzen sind nicht vorgegeben. Die Zeitangabe betreffend das Klimaverfahren ist in diesem Sinn illustrativ.
Parallel zum Rechtsverfahren wird der Verein den laufenden Gesetzgebungsprozess zur Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens in der Schweiz begleiten. Hier die Vernehmlassungsantwort betreffend das Klimapaket.

Hier können Sie sich melden, um dem Verein „KlimaSeniorinnen Schweiz“ beizutreten oder sich als Unterstützerin oder Unterstützer einzutragen.